documenta 14 und Feng Shui: Ein Recht auf Hoffnung?

Kunst ist immer ein Ausdruck der Gesellschaft aus der sie hervorgeht.

Nach den perfiden Zensuren während des Nationalsozialismus und der umfangreichen Vernichtung von Kulturgütern war die Gründung der documenta 1955 ein mutiger und dringend notwendiger Schritt.

„Wo steht die Kunst heute? Wo stehen wir heute?“

Diese Fragen stellten sich bei der ersten documenta, die Arnold Bode ins Leben rief. Zwischen den Trümmerhalden in Kassel wurde zehn Jahre nach Kriegsende im notdürftig wiederhergestellten Museum Fridericianum (das älteste Museum auf europäischem Festland, entstanden im Geist der Aufklärung) ein erster großer Schritt in eine neue Zukunft gewagt: dem Versuch, Kriegstraumata zu verarbeiten und dem Willen nach Fortbestand und Läuterung wurden Ausdruck verliehen. Künstler, die verfolgt und geflohen waren, schickten ihre Ausstellungsexponate unter der Schirmherrschaft von Bode nach Kassel. Ein neuer Hoffnungsschimmer durchzog das Land.

documenta als Spiegelbild der Kunstszene

arthenon der Bücher der Künstlerin Marta Minujín, empfangen. Die einst verbotenen Bücher haben ihre Freiheit zurückerlangt. In einem Büchertempel,

Fortan wurde die documenta seit 1959 alle fünf Jahre für 100 Tage ein Museum der Moderne. Die Ausstellung galt als Spiegelbild der weltweiten avantgardistischen Kunstszene. Die vom jeweiligen Kurator ausgewählten Werke führten immer zu kontroversen Auseinandersetzungen. Was für den einen eine Offenbarung war, provozierte den anderen und galt als Bürgerschreck. In einem blieben sich die Aussteller der documenta immer treu:

Sie riskierten, mit den Ausstellungsexponaten Sehgewohnheiten aufzubrechen, etablierte zeitgenössische Kunst in Frage zu stellen und Denkanstöße für neue Richtungen in Kunst und Kultur zu geben. Sie wagten das Unbequeme. Performancekünstler wurden ermutigt den Bürger aus der sicheren Sofaecke zu holen und die Komfortzonen aufzuweichen. Die documenta verhalf Deutschland maßgeblich dazu, seinen durch das NS-Regime zerstörten Ruf als Vernichter von Kulturgut, zu rehabilitieren.

documenta 14 ohne Hoffnung

Documenta 14, Feng Shui und Hoffnung

Durch die Vielfalt der Provokationen kam man von einer documenta-Reise immer geläutert und inspiriert nach Hause zurück. Eines hatten die Künstler stets geschafft: Sie hatten zum Nachdenken angeregt, dazu aufgefordert Bestehendem bewusster zu begegnen und seine Umgebung mit wacheren Augen wahrzunehmen. Hatte man durch einen documenta-Besuch vieles erlebt und gesehen, wusste man, es geht weiter. Alles erneuert sich. Der Mensch durfte sich als Mitschöpfer erleben. Es lag an ihm, was er aus dem macht, was ist.

Documenta 14: Parthenon der Künstlerin Marta Minujín, Büchertempel

Doch auf der documenta 14 bleibt die Hoffnung aus. Auf dem Friedrichsplatz wird der Besucher glorreich von dem großartigen Kunstwerk, dem Parthenon der Bücher der Künstlerin Marta Minujín, empfangen. Die einst verbotenen Bücher haben ihre Freiheit zurückerlangt. In einem Büchertempel, erbaut nach der Vorlage für die Akropolis, streben sie zum Himmel. Sie werden sichtbar und verweben sich mit allem und jeden. Die Gedanken sind frei. Ganz wunderbar, dieser Auftakt zur documenta.

documenta oder Dokumente des Grauens

Bei jedem weiteren Schritt durch die Ausstellungshallen wird es anstrengend und niederschmetternd. Bilder der Verfolgten, Gedemütigten, Geschändeten und Ermordeten. Das Blut und die verstummten Schreie begleiten den Besucher von Halle zu Halle. Kunst als Dokumentation des Grauens, als Verstärker von dem, was tagtäglich durch die Medien geht, kriecht unter die Haut, weicht auf und macht nachdenklich.

Documenta 14, Feng Shui und Hoffnung

Doch sie macht auch verletzlich und verletzt. Kommt man am Ende erschöpft, resigniert und energielos nach Hause, ist es schwer das Geschehene abzuschütteln. Darf ich mich über mein Leben noch freuen? Wenn selbst, die Kunst keine Hoffnung mehr schenkt, nicht mehr erbaut, sondern nur noch niederschmettert, was bleibt dann noch?

Ein farbiges Bild einer Blumenwiese in einer Ruine aufgehängt bewirkt mehr, als ein Foto tausend zerstückelter Leichen in einem Palast

Ein Volk ohne Hoffnung ist im Kern geschwächt. Als die Trümmerfrauen nach dem zweiten Weltkrieg durch die Straßen zogen, trugen sie Bilder von dem was wieder sein kann in sich. Diese inneren Bilder halfen ihnen, die Kraft zu finden wieder aufzubauen, was zerstört war. Werden wir dieser inneren Bilder von Schönheit und Erhabenheit, von Licht und Lebenssinn beraubt, verlieren wir die Energie, die uns am Leben hält.

Was Kunst mit Feng Shui zu tun hat

„Wer nicht denkt fliegt raus!“

Dieser Satz von Joseph Beuys ist die direkte Aufforderung an den Betrachter, aktiv am Ausgestellten teilzunehmen. Anstatt sich einlullen zu lassen, zu hinterfragen. Anstelle hinzunehmen, was ist, zu erkennen, was es ist.

„Alles ist Energie.“

Als Beuys 1977 auf der documenta 6 an 100 Tagen mit der Honigpumpe am Arbeitsplatz vertreten war, wurde sichtbar, wie viel Energie im Honig fließt. Mit seiner zuvor gezeigten Fettecke, mit seinen Filzdecken und vielen anderen Exponaten, hat Beuys immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, sich mit dem auseinander zu setzen, was zu unserem Alltag gehört. Indem das Selbstverständliche in den Mittelpunkt gestellt wird, bekommt es Aufmerksamkeit. Wird es auf neue Weise gewürdigt, verändert sich der Umgang damit. Und bereits das ist Feng Shui, die Veränderung von Energie.

Das Bewusstsein für seine Umgebung

Beuys Satz „Alles ist Kunst, jeder ist ein Künstler“ soll dazu führen, sich bewusster mit seiner Umgebung zu beschäftigen. Denn alles wird in seiner Wertigkeit verändert, sobald es in einen anderen Kontext gestellt wird. Steht beispielsweise ein rosa Spielzeughase auf einem Sockel in einer Ausstellung, wird er vom lustigen Spielzeug zum Kunstobjekt.

Betrachtest Du auf diese Weise Deinen Lebensraum, kannst Du sofort aktiv die Energie verändern, indem Du die Zuordnung veränderst. Betrachtest Du die Energie der Dinge, bekommst Du ein Gefühl für den Einfluss, den sie auf Dich und auf den Raum nehmen. Was bewegt sich, wenn Du den Standort der Dinge veränderst? Was muss ganz entfernt werden, weil es immer negativ oder störend ist? Lerne Dich von dem zu befreien, was ist. Erschaffe Dir den Raum den Du brauchst.

Wie Kunst die Energie im Raum beeinflusst

Hat man durch Rauminstallationen wie beispielsweise von Donald Judd, Robert Morris und Rebecca Horn erlebt, wie die Dinge des Alltags ihre Selbstverständlichkeit verlieren, wenn sie in ihrer Zuordnung verändert werden, verändert sich alles. Eine Tür ist nicht mehr nur eine Tür. Hängt sie unter der Decke wird sie zum Objekt der Betrachtung. Steht sie mitten im Raum, wird sie zum Hindernis.

Werden das Innen und Außen anders als gewohnt miteinander verwoben, verändert sich die Dimension des Raums. Werden Wände durchbrochen, Rohre als bewusste Verbindungen und Verknüpfungen dargestellt, wird die Energie des Raums auf andere Weise deutlich. Es wird fühlbar, wie alles miteinander verwoben ist. Der Sicherheitsabstand zum Nachbarn durch die Wände und Decke wird entsprechend als Illusion enttarnt.

Wechselwirkung zwischen Mensch und Raum

Je bewusster wir alles, was uns umgibt betrachten und alles als Träger von Energie sehen, umso klarer gestaltet sich unser Leben. Zum einen gibt es den Raum selbst, als Abgrenzung und Schutz. Zum anderen all das, was die tagtäglichen Bedürfnisse erleichtert: Das Bett, den Stuhl, den Tisch, den Schrank. Und dann kommt alles, was den weiteren Komfort unterstützt. All das, was über das Notwendige hinaus geht. Erinnerungsstücke, Sammlerstücke und schließlich die Kunst.

Wer Bilder und Objekte aufhängt, Skulpturen hinstellt, sollte sich immer fragen:

  • Welche Absicht verfolge ich damit?
  • Welche Wirkung möchte ich erzielen?
  • Was soll sich verändern?
  • Welche Stimmung löst es aus?
  • Hänge ich es für mich auf oder möchte ich damit meine Besucher damit beeindrucken?

In jedem Fall verändert sich durch Kunst die Energie im Raum und damit auch die Energie aller Anwesenden. Kunst nimmt immer aktiv am Leben teil. Kunst ist und bleibt Ausdruck des Lebens, egal, wie grausam oder abstrakt sie ist. Und wie schön ist es, wenn sie erbaut und sich über die Geschehnisse des Alltags erhebt.

Schlagwörter:
documenta Hoffnung

Über die Autorin

Parvati S. Hörler ist Fengshuimeisterin und Schamanin. Durch eine sensiblere und vielschichtigere Wahrnehmung nimmt sie die Außenwelt intensiver wahr. Lesen Sie die Geschichte von Parvati S. Hörler.

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